MUSTERWOHNSIEDLUNG NOVÝ DŮM (NEUES HAUS)
In den Jahren 1927-1932 wurden im Rahmen von Ausstellungen des Werkbunds, die dem modernen Wohnen gewidmet waren, Musterwohnsiedlungen in Stuttgart, Brünn, Breslau, Zürich, Wien und Prag errichtet. Diese stellten nicht nur neue Lösungen in der Konzeption der Architektur und in der Ausstattung von Wohnräumen in Miets- und Familienhäusern dar, sondern auch neue Baukonstruktionen und –Technologien. Auf den Bau der Weißenhofsiedlung in Stuttgart (1927) folgte das äußerst spezifische Projekt in Brünn (1928), das Teil der großzügig konzipierten Ausstellung der zeitgenössischen Kultur zum 10. Jahrestag der Gründung des unabhängigen Staates war. Es handelte sich um eine reine Entwicklungstätigkeit, die ausschließlich auf Familienhäuser ausgerichtet war, und bei der der Tschechoslowakische Werkbund nur die ideologische Schirmherrschaft trug. Auf der Ausstellung in Breslau (1929) wurden unter anderem viele neue Baumaterialien und –Technologien vorgestellt. In Zürich (1931) waren die Architekten an die strengen Regeln des Urbanismus gebunden und in Wien (1932) mussten sie sich bereits mehr den Vorstellungen der Klienten fügen, die zur höheren Mittelschicht gehörten. In Prag (1932) erfolgte der Bau dann bereits vollständig im Rahmen der Kommunikation zwischen Architekten und dem konkreten wohlhabenden Klienten und die ursprüngliche Idee dieser Ausstellungen, der breiteren Mittelschicht moderne Wohnmöglichkeiten anzubieten, wurde hier nicht umgesetzt.
Der Bau von Musterwohnsiedlungen gehört heute zu den ikonischen Momenten in der Geschichte der modernen Weltarchitektur. Diese Ausstellungen setzten trotz wirtschaftlicher Misserfolge Trends in der Kultur des modernen Wohnens, die dauerhaft gelten und zeitgenössische Künstler oft inspirieren. Trotz vieler baulicher Veränderungen und Degradierung stehen alle aufgeführten Musterwohnsiedlungen unter Denkmalschutz, gehören zu angesehenen Adressen mit hoher Wohnqualität und werden immer häufiger zu einem Besuchsziel von Fachleuten und Touristen.
Die Wahl des Ortes für den Bau der Kolonie Nový dům (Neues Haus) unter dem Wilson-Wald im Brünner Stadtviertel Žabovřesky erfolgte nicht zufällig. Diese Grundstücke waren bereits seit 1908 im Besitz des Bauherrn František Uherka, und die Weißenhofsiedlung in Stuttgart inspirierte ihn wahrscheinlich zur Aufwertung dieser. Eine ideale Gelegenheit dazu bot ihm die Ausstellung der zeitgenössischen Kultur. In deren Rahmen, allerdings im Gegensatz zu Stuttgart ganz ohne finanzielle Unterstützung durch den Bund oder die Stadt, schloss sich František Uherka mit Čeněk Ruller zusammen, um den Bau der Kolonie als private Bauherren zu realisieren. Im Herbst 1927 riefen sie neun Architekten zur Erarbeitung eines Projekts von 16 Reihen- und Einzelhäusern nach dem Bauplanungskonzept von Bohuslav Fuchs und Jaroslav Grunt auf, von denen jeder ein Reihenhaus in der Kolonie entwarf. Die Autoren der Doppelhäuser waren Josef Štěpánek (der einzige Nicht-Brünner Architekt), Jan Víšek und Ernst Wiesner, die freistehenden Häuser entwarfen Jiří Kroha und Jaroslav Syřiště und auch Hugo Foltýn und Miroslav Putna (Foltýn und Putna waren noch Studenten der TU Brünn). Der Bau begann im Februar 1928 und die feierliche Eröffnung fand am 2. September 1928 statt. Die Ausstellung Nový dům war die erste Veranstaltung dieser Art in der Tschechoslowakei der Zwischenkriegszeit und die zweite in Europa.
Der Charakter der Kolonie wurde von den Bedingungen der Bauherren bestimmt, die nach nicht-unterkellerten Häusern auf Pfeilern, einem hauswirtschaftlichen Erdgeschoss, zwei Wohngeschossen mit einem Flachdach als Terrasse, Einbaumöbeln, Standardfenstern und Türen und einem rationalen Grundriss verlangten. Die Anordnung der Räume blieb den Architekten überlassen. Diese Vorgehensweise verhalf zu einer deutlichen Stil- und Typologie-Einheit des Komplexes. Außer dem Backsteinhaus von Jaroslav Syřiště verfügten die Objekte über ein tragendes Stahlbetonskelett mit Formsteinen und Ausfachungen (Isostone-Formsteine und Calofrigplatten). Das Ziel war ein sparsamer Gebäudetyp mit technischem und sanitärem Komfort, der für mittlere soziale Schichten bestimmt war, der eventuell auch serienmäßig „hergestellt“ werden konnte. Eine Ausnahme stellte Krohas Haus dar, das einer Villa nahekam. Die meisten Architekten gingen vom Stuttgarter Modell aus, das sich auch im Ausstellungskatalog widerspiegelte, der von Zdenek Roßmann und Frederick Václavek vorbereitet wurde.
Die Ausstellung Nový dům endete am 31. Oktober 1928, zwei Wochen nach Schließung der Ausstellung der zeitgenössischen Kultur in der Tschechoslowakei. Die Besucherzahlen erfüllten weder die Erwartungen noch brachten sie den erhofften kommerziellen Erfolg, weil sie nicht den traditionellen Wohnvorstellungen von potenziellen Kunden entsprachen. Der Misserfolg wurde von hohen Preisen der Häuser und deren baulichen Unfertigkeit gekrönt. Die Gesamtkosten für den Bau der Kolonie beliefen sich auf 2.680.084 Kronen (ohne Architektenhonorar). Bei einem umbauten Raum aller Häuser von 8 380 m3 betrugen die Kosten für 1 m3 des Gebäudes 319,80 Kronen.
In der Fachliteratur wurde bisher angenommen, dass kleinere oder größere Umbauten an den Häusern erst in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg stattgefunden haben. Dem war nicht so. Drei Häuser wurden noch von František Uherka selbst in den Jahren 1939-1942 radikal umgebaut. Es handelte sich um die Häuser Nr. 1001 und 1002 (Foltýn und Putna) und Nr. 1011 (der linke Teil des Štěpánek-Hauses). František Uherka schloss sich zu diesem Zweck mit dem Architekten Hynek Smejkal zusammen. Ihre gemeinsamen Unternehmungen endeten jedoch im Jahr 1945 mit einem langen Rechtsstreit.
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Bestandteile der Route
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Haus Nr. 1000
Ein freistehendes dreistöckiges Haus von dem Architekt Jiří Kroha
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Haus Nr. 1001
Vierstöckiges Reihenhaus mit Dachterrasse von dem Architekt Hugo Foltýn
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Haus Nr. 1002
Vierstöckiges Reihenhaus mit Dachterrasse von dem Architekt Miroslav Putna
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Haus Nr. 1003
Vierstöckiges Doppelreihenhaus mit Dachterrasse von dem Architekt Jan Víšek
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Haus Nr. 1004
Vierstöckiges Doppelreihenhaus mit Dachterrasse von dem Architekt Jan Víšek
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Haus Nr. 1005
Freistehendes vierstöckiges Einfamilienhaus mit Dachterrasse von dem Architekt Jaroslav Syřiště
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Haus Nr. 1006
Freistehendes dreistöckiges Doppelhaus von dem Architekt Ernst Wiesner
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Haus Nr. 1007
Freistehendes dreistöckiges Doppelhaus von dem Architekt Ernst Wiesner
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Haus Nr. 1008
Freistehendes dreistöckiges Reihenhaus von dem Architekt Bohuslav Fuchs
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Haus Nr. 1009
Freistehendes dreistöckiges Reihenhaus von dem Architekt Bohuslav Fuchs
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Haus Nr. 1010
Freistehendes dreistöckiges Reihenhaus von dem Architekt Bohuslav Fuchs
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Haus Nr. 1011
Freistehendes vierstöckiges Doppelhaus mit Dachterrasse von dem Architekt Josef Štěpánek
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Haus Nr. 1012
Freistehendes vierstöckiges Doppelhaus mit Dachterrasse von dem Architekt Josef Štěpánek
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Haus Nr. 1013
Freistehendes vierstöckiges Reihenhaus von dem Architekt Jaroslav Grunt
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Haus Nr. 1014
Freistehendes vierstöckiges Reihenhaus von dem Architekt Jaroslav Grunt
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Haus Nr. 1015
Freistehendes vierstöckiges Reihenhaus von dem Architekt Jaroslav Grunt